Ein gi(e)riger Januar

Das beginnende 2021 bot bei uns keine wirklichen Skitourenverhältnisse. Die Schneelage war eher mager und die Lawinensituation lag auf Stufe Mässig mit Tendenz gegen Gering. Ich liebäugelte schon lange mit einer Winterbegehung des Gir Südgrates und weiter zum Falknis. Diese formschöne Linie sieht man aus Ursis Bürofenster von zuhause aus und durch die Südexposition schien zumindest der sehr steile Grat zwischen Enderlinhütte und dem Gir keine besonderen Winterprobleme zu bieten. Am Neujahrstag rief ich daher mal Christoph an ob er mit dabei sei. Er musste aber noch mit seiner Lernfahr-Tochter Pia am Morgen um halb acht nach Weissbad zu ihrer Arbeit fahren... prompt kam von ihm der Vorschlag über die Chammhalden zum Säntis zu gehen. Warum auch nicht? Lockte mich ja auch schon lange und anstelle des endlosen Falknisabstieges auf dem Säntis eine Talfahrt lösen zu können war definitiv eine attraktive Vorstellung! So fuhr ich am Berchtoldstagmorgen mit Zug und Bus in den Eichberg zu Familie Angst zum Kaffee und Pia brachte uns in ihrem neuen Auto nach Weissbad. Zu zweit fuhren weiter zur Schwägalp wo der Nebel dick lag und um 8.30 Uhr die Menschenmassen noch fehlten. Über die steilen Gras- und Felshänge stapften wir hoch, suchten die Chammhalden-Wegspur durch den griesigen Schnee nicht zu verlieren und umgingen diverse Triebschneetaschen über steile Felsrippen. Mit Steigeisen und Pickeln eine spannende Sache! Über der Nebelgrenze bei 1600m war es herrlich blau. Am Hühnerbergsattel angekommen erschien uns der Weiterweg über den Blau Schnee zur Himmelsleiter eine sehr tiefe Schneewühlerei zu werden und Christoph ging daher direkt den Nordostgrat des Girenspitz an. Dieser Grat verlangte dann im verschneiten und vereisten Zustand vollen Einsatz und über die Aufschwünge im M3/M4 Felsgelände waren wir froh um Seil- und Totemsicherungen. Um 13.20 Uhr standen wir auf dem zweithöchsten Alpsteingipfel, dem GIRENSPITZ 2446m und konnten uns natürlich als Jahreserste ins Gipfelbüchlein eintragen. Der Weiterweg zur „Himmelsleiter“ und hoch zum Säntis war dann natürlich dank den Drahtseilen keine grosse Geschichte und wir konnten um 14 Uhr in den Gipfeltrubel der maskierten Bahntouristen eintauchen. Immerhin gab es dort oben ab einer Nespressomaschine im Kiosk ein kaum genutztes takeaway Angebot. Skurrile Zeiten...

 

Zuhause angekommen lies mich natürlich die Gir-Falknis Idee ob des gelungenen Säntistages nicht mehr los. Ich interessierte mich auch wieviele dieser Gir und Girenspitzen eigentlich hier in der Ostschweiz herumstehen. Und siehe da nach einigen Internetrecherchen erkannte ich genau 12 Punkte im Umkreis von 35km um Mastrils mit den Namen Gir oder Girenspitz. Schweizweit gab es zwar noch einige Girenspünge, Girensteine und Girenböhle aber keine weiteren Girenspitzen. Zudem war ich auf fünf dieser Gipfel noch nie. Nämlich auf jenen ob Trimmis, ob Schuders, ob Conters, bei Valzeina und auf dem Gir am Säntis SW-Grat. Das reizte also noch mehr.... Die Idee war geboren: Versuche doch innerhalb kürzester Zeit im Januar 2021 auf dem gesamten Dutzend dieser Punkte zu stehen! „Dank“ weniger Arbeit in der Coronahysterie keine schlechte Ausgangslage und auch die Verhältnisse schienen sich vorerst nicht zu verschlechtern. Dies war ja auch zwingend nötig, ich kannte die meisten steilen Zacken vom Sommer her. So leicht kommt man da nicht überall hoch.

 

Für den 4.1.2021 hatten wir nun schon mal abgemacht und um 7Uhr stand Christoph in Mastrils. Um 7.25 Uhr stapften wir auf der St. Luzisteig noch im Dunkeln los. Der gespurte Weg zur coronaverschlossenen Enderlinhütte war nur das Einlaufen. Von nun an ging es steil und im teils tiefen Schnee über die abschüssigen Tobel querend hinüber in den Panierwald. Ein Naturjuwel! Der Grat zum Gir wurde steiler und der Schnee weniger, weil schon weggerutscht oder getaut. Steigeisen und Pickel greifen aber im gefrorenen Gras super und die sehr ausgesetzten Kletterstellen brachten uns höher. Der Tiefblick am Gir Südgrat, über die gewaltige, dreieckige Wand ist einfach bodenlos! Teilweise Seilsicherung war da nicht unangenehm. Um 11.17 Uhr stehen wir auf dem GIR 2164m. Natürlich auch als erste Personen im 2021. Der Weiterweg über das Falknishorn 2451m ging dann noch locker, am direkten Weiterweg zum Falknis steht aber ein brüchiger Aufschwung im Wege und dieser beschäftigte uns dann richtig ernsthaft. Der erste Versuch endete im steilen Tiefschnee und abwärtsgeschichteten Fels und bot keine sinnvolle Chance hochzukommen. Also direkt am teils senkrechten Grataufschwung hochklettern und dann erkannte ich eine Querungsmöglichkeit in der Nordseite wo die zwingend zu überwindende und überhängende Felspartie etwas kürzer ausschaute und darüber über einen pulverschneegefüllten Trichter auf den Zackengrat zurückführte. Intensives wühlen, Bruchfels wegräumen und stabile Hookplacements ausgraben führte mich hoch auf den Vorgipfel. Abenteuer pur, sicherungsmässig dürftig, kalt und herrlich exponiert. Nun war der Weiterweg glücklicherweise keine grosse Sache mehr und um 13.40 Uhr standen wir auf dem 2562m hohen Falknis. Geniale Rundsicht und eingefrorenes Gipfelbuch. Winterruhe hier oben. Mein primärer Abstiegsplan war es eigentlich über den Guschner Gir zu gehen. Wegen der dazu notwendigen Schneequerung zurück zum Falknishorn und auch auf Grund der schon fortgeschrittenen Zeit machten wir uns aber auf den direkten Enderlinabstieg. Von zuhause aus hatte ich erkannt, dass dort entscheidende Grasrippen mehrheitlich abgeblasen waren und uns einen sicheren Abstieg ermöglichten. Dank Steigeisen und Ortskenntnissen gelangten wir vorbei an viel Stein- und Gamswild hinab zur Enderlinhütte und um 16.45 Uhr, mit der einbrechenden Dunkelheit, standen wir müde 1900m tiefer auf der St. Luzisteig. Ein gewaltiger Tag mit grossen Eindrücken und streng war es!

 

Doch nun war ich mir sicher diese etwas verrückte Idee intensiv weiterzuverfolgen. Schon einen Tag später fuhr ich per Auto und mit Schneeschuhen und Steigeisen-Pickel im Gepäck hinauf zum Winterstrassenende oberhalb Oberschan bei der Schnapsgrotzen. Eine eisige Piste war es aber dank neuen Winterreifen ging es knapp. Auf dem Türlerweg lief ich nun problemlos hinaus zur Schaneralp. Und ab dort wollte ich, wie schon fast gewohnt, mit Zusatzgipfeln weiter aufsteigen. Über den Guggstein und über den ersten der Flidachöpf kämpfte ich mich an und durch senkrecht wachsende Legföhren zum höchsten Punkt. Gamsgelände pur aber sehr mühsam und fraglich sinnvoll. Auch wegen der hier von Süden herübergreifenden Wildruhezone beschloss ich dieses Supplement hier bleiben zu lassen und montierte beim Vormsweg die Schneeschuhe. Damit stieg ich problemlos bis an den steilen Vorbau des Girenspitz hoch. Die komischen Spuren der wenigen Skitourenversuche an der Gauschla bestätigten meine Vorahnung die Skier zuhause zu lassen. Unter dem Steilaufschwung Richtung Girenspitz mussten Steigeisen an die Füsse und über die ausgesetzten Steilgras- und Felshalde gelangte ich auf dem zukünftigen Bergsturzmaterial hoch auf den Vorgipfel. Hier hängt sicher 2 Millionen Kubikmeter Fels schon losgelöst über der Labria und wird wohl einmal die Wartaudörfer eindecken... Noch steht aber alles ruhig oben, die Spalten sind aber imposant tief und auf Google Earth klar ersichtlich. Der schmale Gang auf den sehr exponierten Felsobelisken des Girenspitz war mir auch schon von einer Winterbesteigung bekannt und bietet nur zwei, drei schwierigere Kletterschritte aber keine grossen Probleme. Das Gipfelbuch im Vorgipfelsteinmann bezeugte auch hier meine Jahreserste und der GIRENSPITZ 2099m an der Gauschla war abgehakt. Der Abstieg ein schnelle Geschichte.

 

Auf den 6. Januar wurde alles mit 5-8cm Neuschnee eingedeckt. Der eher neblige Tag schien gerade richtig für eine Bergwanderung und der Wetterbericht sah für den Nachmittag Aufhellungen vor. Erst um 11.36 Uhr startete ich auf der St. Luzisteig und wanderte hoch nach Guscha und auf Vorgängerspuren weiter nach Matan. Über die wegen dem Neuschnee mühsam und rutschig gewordenen Weiden ging es weiter steil hoch zum GUSCHNER GIR 1721m. Es war erst 13.21 Uhr und insgeheim dachte ich schon lange endlich mal daran dem Mittagsspitz einen Besuch abzustatten. Auf dieser stolzen Pyramide über Balzers stand ich noch nie! Also hoch zum Mittler Spitz 1899m und über den teils drahtseilverhängten Grat hinüber zum Mittagspitz 1856m. Dank Spuren ging dies zügig aber die Jahreserste war natürlich schon weg. Zurück musste ich auch wieder zum Mittler Spitz hoch. Ein zweites Mal heute über den Guschner Gir und der weitere Abstieg teils direkt durch den Steilwald nach Guscha ging flott. Um 16.10 Uhr war ich wieder beim Auto auf der St. Luzisteig. Um einige schöne Winterbergwandererlebisse und Gämsenbeobachtungen reicher.

 

Der 7.1.2021 versprach ein sonniger Tag zu werden. Eine Skitour mit dem Besuch des Girenspitz ob Trimmis schien angesagt. So fuhr ich mit dem 7.50 Uhr Mastrilser Bus nach Landquart, mit der RhB nach Untervaz, mit dem Churer Bus nach Trimmis und mit Chauffeur Markus und seinem Göttibuben als Copilot im Sayserposchti hoch nach Obersays. Dort ging es ab 8.50 Uhr zügig hoch nach Stams und zum Scamerspitz 2014m. Über 900 Höhenmeter in anderthalb Stunden. Langsam kommt die Fitness wieder. Weiter führte mich ein Auf und Ab über den Sunntigberg zum Hanen. Der Grat wurde schmaler und mit Fellen ziemlich anspruchsvolles Gelände führte weiter bis zum GIRENSPITZ 2134m. Um 11.23 Uhr stand ich dort oben und konnte mich wiederum als Jahreserster ins Gipfelbuch einschreiben. Die gut sichtbare Aufstiegszickzackspur am Fulberg lockte nun noch intensiver und ich dachte mir dies nicht entgehen lassen zu können! Mein Zeitplan war aber auf 14 Uhr Treffpunkt Wannaspitz mit Ursi ausgerichtet also galt es keine Zeit zu verlieren. Ab Saysersee ging es nun steil hoch und um 12.26 Uhr stand ich auf dem 2395m hohen Fulberg mit tollem Blick in die Mittelbündner Berglandschaft und hinab nach Chur. Die Pulverhänge schauten dann nicht nur gut aus, sie waren es auch. Eine mustergültige und endlose Kurzschwungspur wurde in den 35° Hang gelegt bis die Beine brannten. Über Flachstücke gelangte ich zur Alp Falsch und zum Laubenzug. Sonnenbeschienene, warme 600Höhenmeter brachten mich hoch zum Wannenspitz 1970m wo ich noch vor 14 Uhr eintraf. Ursi bald auch und zusammen fuhren wir im schönen Pulver hinab zum Terrassenkaffee im Gasthaus Hochwang in Furna. Dank Feuerbowle im -10° Schatten durchaus auszuhalten! Coronabestimmungen fordern die Wirte heraus...

 

Die nächsten drei Tage stand übers Wochenende ein SAC Orientierungskurs auf meinem Arbeitsplan und so tat mir etwas das Herz weh bei solch idealen Bedingungen und Wetter arbeiten zu müssen. Am Wochenende auf der gemütlichen Spitzmeilenhütte zu sein und mit winterlichen Besteigung des Spitzmeilen 2501m und des Wissmeilen, war dies aber sehr kurzweilig. Der Kurs startet aber seit Jahren immer erst Freitagabends mit einer Theorie in Walenstadt, also Zeit um Freitagvormittags noch einen Girenspitz dazuzufügen! Morgens um 9 Uhr hoch mit der Pizolbahn zur Pizolhütte und Start mit anderen gemütlichen und wenig erfahrenen Pizolskitourengängern Richtung Wildseeluggen. Die Hauptroute verlies ich aber bald und über den Chamm bei Pt.2492 gelangte ich auf die Zanaiseite. Abfahrend über die steilen Südhänge des Hochpardiel konnte ich hinausqueren und dann recht einfach aber ausgesetzt mit Steigeisen über den Westgrat auf den GIRENSPITZ 2346m klettern. Natürlich wieder als erster im 2021 und mit tollem Ausblick. Zurück über denselben Weg, also mit Gegenanstieg und mit steiniger Abfahrt durchs Täli und auf der Piste bis Maienberg war ich mittags wieder im Tal. Zeit die Theorien für heute Abend durchzugehen...

 

Der Wetterbericht für die kommende Woche festigte sich nun langsam. Ab Dienstagmittag Grossschneefall, Staulage und massive Lawinengefahr! Noch fehlten mir die alpinistisch anspruchsvollen Gir und Girenspitz im Alpstein und auch der Girenspitz ob Schuders. Ziele welche definitiv keinen Zusatzschnee ertragen... Es kam etwas Stress auf. Der Wetterbericht für Montag, 11.1.2021 war noch einwandfrei, sonnig aber sehr kalt, also Vollgas! Für Christoph war der Plan zu streng und so fuhr ich am Montagfrüh allein im Auto nach Wildhaus. Um 6.35 Uhr ging es dort zu Fuss los ins Flürentobel hinauf und zur Alp Tesel. Eine gut hartgetretene Spur zur Zwinglipasshütte erlaubte zügiges Aufsteigen. Aber der Rucksack mit 80m Seil, Sicherungsmaterial, zwei Pickeln, Steigeisen, Schneeschuhen usw. wog schon schwer auf den Schultern. Um die Schneeschuhe war ich aber dann froh für die Querung von der Chreialp hinüber zum Einstieg. Hier ging es um 8.35 Uhr so richtig los. Dank einer Besteigung im letzten Mai über die Sportkletteroute Toblerone mit Urs und Kathrin kannte ich den Berg schon und wusste um die Abseilmöglichkeiten. Den Aufstieg so ganz alleine lies aber natürlich nur der sehr ausgesetzte Ostgrat in vernünftig schneller Zeit zu. Dank Ankergerät und Kletterkenntnissen war dieser Steilgrastanz über den senkrechten Felswänden kein Problem. Heikle Schneeansammlungen konnte man schon von unten erkennen und umgehen. Die Überraschung kam kurz unter dem Gipfel. Eine Gämse mit ihrem Kitz überwintert dort oben! Ruhig und langsam näherte ich mich ihnen und sie flohen über den Verbindungsgrat in die steile Nordflanke des höchsten Punktes des GIRESPITZ 2252m. Vorsichtig beging ich auch diesen Grat und schaute ganz gedeckt von dort 10m fast senkrecht auf die Tiere hinab. Auch ihr einziger Weg auf diesen wohl schwierigsten, nicht reinen Klettergipfel im Alpstein, führt über meine Route... eine andere Fluchtmöglichkeit hatten sie nicht. Das Gipfelbuch in der Gamelle beim Gämsengeläger war leider völlig durchnässt und nicht mehr beschreibbar. Um 10 Uhr überliess ich den Gämsen wieder den Gipfel und begann mich an den Bohrhaken und Ständen der Toblerone über die Platte abzuseilen. Dies erforderte schon etwas Abseilkönnen und endete im Steilschneefeld am abflachenden Kalkplattenfuss. Dank angefrorenen Schneeschollen gelangte ich aber sicher hinüber an den Grat zurück und über meine Aufstiegslinie hinab zum Schneeschuhdepot. Um 11Uhr begann ich dort den Abstieg und um 11.58 Uhr stand ich genau mit Ablauf der Parkzeit wieder in Wildhaus. Um den vermutlich anspruchsvollsten der Girenspitzen reicher. Eine Tour welche wirklich nur dank grosser Kälte und unterdurchschnittlicher Schneelage möglich war.

Noch stand aber der Gir im Säntis Südwestgrat auf dem Programm!

Fahrt hinüber zum Parkplatz der Alp Laui und Felle aufziehen. Mit Ski lief ich nun dort um 12.25 Uhr los. Über Thurwies stieg ich die steinige Chlus hoch zur Chlinge. Die Luft war zwar kalt aber in der windgeschützten, sonnigen Flanke triefte der Schweiss aus allen Poren. Langsam machten sich auch müde Beine bemerkbar und ich war froh auf 1900m endlich Pause machen zu können und auf Steigeisen, Pickel umzurüsten. Steilgras, Felsen und Schneefelder führten nun in logischer Linie weitere 270 Höhenmeter über den SW Grat zum höchsten Punkt. Auch hier war ich froh über das Ankergerät und nach spannendem T6 Gelände stand ich um 15 Uhr auf dem ausgesetzten Felsspitz. Ein Steinmann auf dem GIR 2168m war vorhanden, ein Gipfelbüchlein habe ich vorahnungsvoll mitgenommen und deponiert. Von wegen gemäss Führerliteratur ein Gipfel ohne alpinistischem Interesse. Der Blick hoch zum nahen, unschönen Riesenbauwerk Säntisgipfel ist aber von hier schon etwas befremdend. Der Blick in die andere Richtung aber einfach toll! Abstieg auf der Aufstiegsroute und Skiabfahrt mit viel Steinkontakt und diversen Belagsschäden. Um 16.10 Uhr stand ich nach einem 2300 Höhenmetertag überglücklich wieder beim Auto. Der Schlechtwettercountdown zählte runter und meine Gipfelbilanz stieg!

 

Am Dienstagmorgen musste der Girenspitz ob Schuders bestiegen werden. Die Steilflanken hoch zur zu überschreitenden Höchstelli sind gut 45° abfallend ins Salginatobel und mit Neuschnee absolut tabu. Ab 10 Uhr sollte es nach Wetterprognose zumachen und erste Flocken werfen. Eine Tour mit ÖV wäre ideologisch auch wieder mal angebracht ...also mit dem ersten Bus ab Mastrils hinab nach Landquart. Mit der RhB nach Schiers und natürlich als einziger Fahrgast hinauf nach Schuders. Im ersten Licht lief ich dort um 7.22 Uhr los. Hinauf über die Maiensässe und über den Grat von Waldibüel-Drosbüel kam ich an die Steilstufe. Hier führte glücklicherweise schon eine gute Spur hoch welche mir einiges an Kraftaufwand ersparte. Zu Fuss, Ski tragend, erreichte ich die Höchstelli und weiter am Grat den GIRENSPITZ 2393m. Das Gipfelbuch verriet die Namen der Vorspurer und die Wolkenbasis senkte sich unter mich. Sicht diffus, Schnee im nordseitigen Girentäli aber super! Ein Bückelchen aber nicht gesehen und schon steckte ich nach hübschen Kurzschwüngen im grundlosen Schnee. Ein kurzer steiler Gegenanstieg führte mich hoch zum Girenfürggli und dann teils schöner Schnee hinab über den Rücken von Spalanda an die Grüscher Alp Strasse. Der Bus ab Schuders fuhr erst um fünf vor eins und ich hatte anderthalb Stunden Vorsprung. Endlich einmal gemütlich sitzen und essen, trinken unter einem sehr historischen Stalldach in der Rüti und dann grosses philosophieren über alle Themen der Welt mit dem Chauffeur im geheizten Schuderser Bus. Hinab war ich nicht mal der einzige Fahrgast und der Schneefall setzte voll ein. Aktion „heikle Girenspitzen“ geglückt!

Nachdem ich in Mastrils wieder alles deponiert hatte, machte ich mich nun per Auto noch auf Richtung Valzeina. Dort steht in den steilen Tobeln unter dem Dorf ein bewaldeter Chamm mit dem ominösen Namen. Also spazierte ich ab Engisch Gade auf dem Wanderweg hinein in diese einsame Winterlandschaft und stieg alles über den Rücken des GIRENSPITZ 1041m taleinwärts zu Pt.1118 und zurück zum Auto. Eine kleine gut einstündige Abendbergwanderung in einer wilden Waldtobellandschaft auf vielen Gämsenspuren aber es war das einzige Mal wo ich kein Wild zu Gesicht bekam.

 

Der Schneefall intensivierte sich. Für den Mittwoch hatte ich mit Christoph abgemacht nach Conters zu fahren um den dortigen Girenspitz zu sammeln. Treffpunkt 7 Uhr in Mastrils. Am Morgen lag hier 30cm Neuschnee und Christophs Anruf um 6.20 Uhr zuerst ab Oberriet von der Schneematschchaosautobahn verriet nichts Gutes und ich brauchte schon arg Überredungskunst ihn zur Weiterfahrt zu bewegen. Ab Tardisbrücke kam dann wieder ein Christoph Telefon, dass er die Strasse nicht hochkäme. Also Skiabfahrt hinab zur Tankstelle und winterliche Fahrt im Auto nach Conters im Prättigau. Blechschäden und Schneeräumungsmaschinen überall und freudige Kinder im Schnee am Parkplatz an der Schule erwarteten uns dort in diesem urtümlichen Bündner Bergdorf. Um 8.04 Uhr stapften wir los und spurten hoch über die buckligen Maiensässhänge. Um 10.06 Uhr standen wir doch schon 800m höher bei der Conterser Duranna. Hier begann der Nebel, endete der Wald und startete der Wind. Viel Triebschnee ergab ganz viele Wumms und Risse. Aber es sollte eigentlich möglich sein unter 30° steil die Hänge direkt aufzusteigen bis zum Gipfel. 50 Höhenmeter darunter musste aber mit der bescheidenen Sicht ein Hang hinaus zum Gipfelgrat gequert werden welchen ich praktisch sicher auslösen würde...., also wieder hinunter und Plan B über den Nordgrat hoch. Dieser war dann auch steil aber erwartungsgemäss abgeblasen. Schneehase und Birkhahn wohnen hier und waren natürlich über zwei Nebelschneetouristen nicht so erfreut. Auf dem Grat schraubten wir uns mit vielen Spitzkehren hoch zum GIRENSPITZ 2184m. Eigentlich nur eine Vorkuppe des Chistensteins aber heute absolut das höchste der möglichen Ziele hier! Der Wind hier oben um 11.40 Uhr liess uns nicht rasten, insbesondere da die warme Jacke von Christoph noch in seinem Auto lag, und schnell fuhren wir zurück über den Grat ab. Die folgende Querung zur Alp erforderte es sinnvollerweise nochmals die Felle aufzuziehen und dann folgte im Waldbereich eine herrliche, tiefe Pulverabfahrt. Um 12.55 Uhr standen wir wieder in Conters und waren um eine spezielle Skitourenerfahrung reicher!

Noch ging es, aber ab morgen Donnerstag ist wohl alles sinnlos gefährlich.

 

Am Donnerstag war also Ruhetag angebracht. Der inzwischen an der 1m Marke kratzende Neuschnee vor dem Haus bescherte dennoch keinen Ruhetag. Schaufeln ohne Ende und kein solches Ende des Schneefalles in Sicht.

 

Freitag bis Sonntag stand wieder Arbeit auf meinem Terminplan. Ein Einsteiger-Eisfallkletterkurs für Bergpunkt.ch stand mit vier Teilnehmern an. Eis war ja genug vorhanden, auch in Tallagen, dank der Kälteperiode. Aber das Eis verschwand unter den Schneemassen und die Lawinengefahr natürlich Gross über Tage! Eine nicht ganz banale Ausgangslage. Der Eisturm in Malbun bot den gefahrlosen willkommenen Start. Samstag im Weisstannental Eisfall ausschaufeln ging dann auch und war mit -10° auch sicherheitsmässig in Ordnung. Es war ein strahlend schöner Sonnenscheintag, nur standen wir natürlich ganztags im schattigen Seeztobel. Frieren unumgänglich. Der Sonntag sah uns bei neuerlichem Schneefall den Saarfall ausgraben. Hier waren wir nachmittags sogar nicht mal die einzigen im Eis.

 

Der Montag, 18.Januar war immer noch ausser Girenspitz-Diskussion. Es fehlte ja nur noch einer, der „Skitouren-Mode-Girenspitz“ hinter St. Antönien. Über Mittag spurte ich zusammen mit Sina und Ursi wieder mal ab Haustüre hoch zu Stefis coronaregelbedingt geschlossener Bergwirtschaft. Dafür bekamen wir seine Schneefräsenaktivität staubig zu spüren. Die Abfahrt durch den Wald zurück nach Mastrils konnte natürlich nicht besser sein und ich war mir sicher morgen Dienstag mit dem voraussichtlich auf Erheblich sinkenden Bulletin würde ein toller Versuch in Partnun möglich sein!

 

Natürlich war das „Skitourenguru.ch-Risiko“ mit 1,86 zu hoch und die Passage auf der Strasse hoch zur Alp Carschina musste zwingend vor Ort beurteilt werden. Laut St. Antönien- Homepage war aber die Schlittelstrasse nach Partnun wieder offen und geräumt, der Wetterbericht ziemlich sonnig aber ab Mittwoch mit Föhnsturm... Also wirklich Ende Winterwonderland in Aussicht. Jetzt oder nie hiess meine Devise. Alternativ unter 30° könnte man mit 1,5 Std. Umweg auch über Partnun-Brunnenegg aufsteigen.

Schon am Parkplatz in Rüti kommt uns der Wildhüter mit Jagdhund und Schaufel entgegen. Er war damit beschäftigt im Schnee blockierten Rehen wieder auf die Beine zu helfen! Wir sahen dann auch wirklich arme Tiere welche im Schnee nur noch mit den Köpfen herausschauen konnten. Geniale Bilder und ein grosser Überlebenskampf. Möglichst ruhig vorbeigehen war angesagt.

Zwei Spuren über die Brücke abzweigend von der geräumten Strasse liessen die Hoffnung an diesem Traumtag ganz hoch zu kommen auch noch deutlich ansteigen! Die beiden Vorspurer kamen uns aber bald abfahrend entgegen und sagten, dass sie ob den Schneemassen noch unter der Alp Carschine kapitulieren mussten. Angesichts der wohl nicht ganz lawinensicheren Spuranlage die sie alles auf der Strasse gewählt hatten vermutlich eine bessere Entscheidung weiter oben nicht weiterzuspuren. Es lag nun also an mir schweisstreibend und mit den Skispitzen unter der Schneeoberfläche hoch zur Alp zu wühlen und weiter optimal die Linie zu wählen über die Hänge hoch zum Rücken welcher mässig steil zum Gipfel leitet. Ursi hatte dazu leider etwas schlechte Hosen angezogen und der viele Schnee in der tiefen Spur lagerte sich in ihrem Schuh ab was zu nassen und kalten Füssen führte.

Dies erforderte nochmaliges abfahren meinerseits da die Handyverbindung eher bescheiden ist hier hinten. Sie kam aber tapfer hinterhergetrottet und so spurte ich endgültig ganz hoch. Um 14.13 Uhr war es dann geschafft. Ich stand auf dem 12. GIRENSPITZ 2367m und konnte mit grosser Genugtuung nach Mastrils hinabschauen. Dieser Girenspitz ist effektiv der einzige den ich vom Esstisch aus, sehen kann!

Die Abfahrt im traumhaft tiefen Pulver war genial und die heutige Ruhe an diesem sonst überlaufenen Berg fantastisch. Dass ich im Aufstieg nicht ein Wummgeräusch auslöste verwunderte mich aber schon lange. Die Situation war ja offensichtlich nicht harmlos. Und siehe da, auf der Rückfahrt in der Aufstiegsspur östlich von Punkt 2186 machte es plötzlich Wumm, der Schnee setzte sich unter mir und zwei Sekunden später ging der ganze 150m breite und rund 37° steile Nordhang unter uns abwärts! Eine tolle Fernauslösung eines imposanten Schneebrettes zeigten die Naturphänomene in ihrer vollen Pracht! Ein eindrückliches Erlebnis an einem Traumtag, für mich hat heute alles gestimmt!

Weitere tolle Pulverschwünge führten uns weiter hinab in lawinensicherer Spuranlage zum wieder zu seinen Rehen schauenden Wildhüter. Ein netter Schwatz und feiner takeaway Kuchen und Cappuccino aus dem Madrisajoch machten den Tag komplett.

 

Ein wirklich ungewöhnliches Projekt konnte ich in 18 Tagen durchziehen. Das Erreichen der 12 Gipfel, und natürlich noch einiger Zusatzgipfel welche „mitgenommen“ wurden, erforderte 13827 Höhenmeter Aufstieg und 126,7km Strecke zurückzulegen.

 

Es hat viel Spass gemacht.

Thomas

Und so schauen diese Girenspitzen und Gire aus: Bildreihenfolge vom Alpstein zur Alvierkette, Pizolgebiet, Falknis, Prättigau

Girenspitz SantisJPG
Girespitz ChreialpJPGGir Alpstein 1JPG
Girenspitz WartauJPGGirenspitz Pizol1 2JPGGir FalknisJPGGuschner Gir 1JPGGirenspitz Valzeina 1JPGGirenspitz TrimmisJPGGirenspitz Conters CJPGGirenspitz Schuders 1JPGGirenspitz St Antonien 1JPG